Zündstoff 2018

Die Stadt gehört mir!

24. September 2018

Im öffentlichen Raum prallen verschiedenste Interessen aufeinander - Konflikte sind dabei vorprogrammiert. Zündstoff griff das Thema auf und fragte die Gäste: Wem gehört die Stadt?

"Die Stadt gehört allen" - In ihrem Eingangsreferat führte Stefanie Kaiser, Kantons- und Stadt­ent­wick­lung Basel zum Leitbild öffentlicher Raum in Basel aus und gab ausserdem einen Überblick über die gesellschaftlichen Entwicklungen, die gemäss dem Duttweiler Institut die Nutzung des öffentlichen Raum künftig beeinflussen werden. Zunehmende Kommerzialisierung und damit Privatisierung, fliessende Übergänge von realer und virtueller Welt wie auch die zunehmende Vermischung von öffentlich und privat sind bereits jetzt erlebbare Trends. In Park­an­la­gen oder am Rheinbord Picknicken, Party feiern oder Sonnenbaden war bspw. vor 20 Jahren so noch nicht denkbar. Die Zukunftsforscher am Duttweiler Institut sehen ausserdem die Verwaltung in der Verantwortung, in der zunehmenden Dynamik und Komplexität der Entwicklungen eine Moderatorenrolle einzunehmen.

An das formulierte Spannungsfeld von individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen Werten knüpfte die Diskussion auf dem Podium mit Vivianne Tobler (Verein Rhein­pro­me­na­de Kleinbasel), Lukas Ott (Kantons- und Stadt­ent­wick­lung) und Neda Schön (Verein Kultur und Gastronomie) an, bei welcher das stark frequentierte Rheinbord schnell zum Hauptthema wurde. Lärmbelastung, Verdrängung und die Abfallproblematik wurden angesprochen. Während Neda Schön fand, dass ein gewisses Mass an Lärm innerhalb einer Stadt akzeptiert werden muss, betonte Vivianne Tobler, dass die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner während der Sommermonate extrem beeinträchtigt sei. Sie wünscht sich ein gutes Mit- und Nebeneinander an der Rhein­pro­me­na­de. Dass es Probleme gibt, ist auch Lukas Ott bewusst. Es brauche Rücksichtnahme und Toleranz. Dabei sei auch Zivilcourage gefragt, es könne nicht immer alles von der Verwaltung gelöst werden. Doch Zivilcourage hat seine Grenzen, wie es Vivianne Tobler am eigenen Leib erfahren musste. Als Vertreterin der Anwohnenden fordert sie daher von der Stadt und der Polizei neue Lösungen im Umgang mit den Problemgruppen am Rhein - jenen, welche auch nicht leiser werden, wenn man sie darauf hinweist.
Doch nicht nur die Rhein­pro­me­na­de ist belastet. Auch an anderen Stellen im öffentlichen Raum treffen immer wieder verschiedene Interessen aufeinander. «Es geht nicht ohne Reibung im öffentlichen Raum», sagte Lukas Ott und fasste damit zusammen, dass die verschiedensten Interessenskonflikte nicht einfach zu lösen sind. An kreativen Lösungsvorschlägen, wie man mit den aktuellen Problemen umgehen könnte, fehlte es jedoch an diesem Abend.

Das war die vorerst letzte Diskussionsrunde der Veranstaltungsreihe «Zündstoff». Ob und wie das Format im nächsten Jahr weitergeführt werden soll, wird von den Veranstaltern nach der Auswertung entschieden. Das Stadtteilsekretariat Kleinbasel, die Ev.-ref. Kirchgemeinde Kleinbasel, das Forum für Zeitfragen und die Volkshochschule beider Basel bedanken sich bei allen interessierten und diskussionsfreudigen Stadtbewohner/innen.

Polizei im Visier

27. August 2018

Immer lauter werden die Stimmen aus der Be­völ­ke­rung, welche der Polizei Rassismus vorwerfen. Vor Allem bei Jugendlichen hat die Polizei enorm an Vertrauen eingebüsst. Racial Profiling ist ein Begriff, der dabei öfters fällt (s. Definition unten).
Im Rahmen der Diskussionsreihe «Zündstoff» diskutierten Tobias Burkhard (Leiter Operative Lage, Polizei Basel-Stadt), Marc Moresi (Leiter Dreirosenhalle) und Muriel Trummer (Amnesty International Schweiz) über dieses brisante Thema. Als Einstieg dazu referierte Claudia Wilopo (Doktorandin der Kulturantrologie) über die wissenschaftliche Definition von Racial Profiling, dessen Auswirkungen auf die Betroffenen und die Reproduktion von rassistischen Stereotypen.

Durch den Vortrag von Claudia Wilopo erhielten in der Matthäuskirche auch die Betroffenen eine Stimme. Sie zitierte verschiedene Personen, welche rassistische Polizeikontrollen erlebt hatten und referierte darüber, wie sich Racial Profiling auf die Betroffenen, ihr Umfeld und die Gesellschaft auswirkt.  Nach dem informativen Input leitete Roger Ehret die Diskussion, welche grösstenteils sachlich und reflektiert ablief. «Rassismus ist nicht nur, wenn er intentiert ist» fasste er zwischendurch zusammen und traf damit den Nerv des Problems. Vorsätzlicher Rassismus wollte der Polizei an dem Abend nämlich niemand vorwerfen. Dennoch zeigten die verschiedenen Beispiele, dass Handlungsbedarf besteht. Und M. Trummer forderte zudem, dass diese Fälle nicht als Einzelproblem abgetan werden dürften. Solange man von Einzelfällen spricht, werde das Problem nämlich nicht ernst genommen.

Was macht die Polizei?
Hauptfeldweibel Burkhard erklärte, dass bei der Polizei Basel-Stadt, als einzige in der Deutschschweiz, auch Menschen mit einer Niederlassungsbewilligung (C-Ausweis) arbeiten können. Ausserdem sei es dem neuen Polizeikommandanten ein wichtiges Anliegen, eine offene Fehlerkultur zu betreiben und diese in die Öffentlichkeit zu tragen. Und mit internen Aus- und Weiterbildungskursen wollen sie das transkulturelle Verständnis fördern und somit den Umgang mit unserer multikulturellen Gesellschaft verbessern.
Trotzdem fordern Trummer und Wilopo mehr Kontrolle der Polizeiarbeit. Beide schlugen ein Quittungssystem vor, wie es 2016 in England eingeführt wurde. Dort zeigten erste Erkenntniss, dass einerseits weniger Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert wurden, und sich andererseits sogar die Effizienz und Trefferquote deutlich gesteigert hat. Durch die statistische Auswertung dieser Quittungen können Ausbildungs- und Sensibilisierungs-Angebote für Polizeibeamte spezifisch angepasst werden. Es braucht Vertrauen – meinte daraufhin ein Publikumsgast – doch das Vertrauen müsse sich die Polizei zuerst erarbeiten.

Zentral wird bleiben, wie offen, ehrlich und respektvoll mit dem Thema Rassismus allgemein umgegangen wird. Sowohl bei der Polizei als auch in unserer Gesellschaft. Denn wenn wir ehrlich sind, ist Racial Profiling nicht nur bei der Polizei, sondern auch ganz allgemein in der Gesellschaft ein Thema. 

 Racial Profiling: Der Begriff «Rassistisches Profiling» bezeichnet alle Formen von diskriminierenden Personen- und Fahrzeugkontrollen gegenüber Personengruppen, welche von den Polizisten/-innen als ethnisch oder religiös «andersartig» wahrgenommen werden. In der Schweiz existiert kein explizites gesetzliches Verbot für Racial Profiling. Dennoch tangiert die Praxis das Diskriminierungsverbot nach Art. 8 der Schweizerischen Bundesverfassung. (Quelle: www.humanrights.ch)

Recht auf Wohnen?

28. Mai 2018

Recht auf Wohnen steht sowohl für Vertreterinnen und Vertreter des Initiativkommitees wie der Gegner nicht zur Debatte. Allerdings scheiden sich die Geister an der Verankerung des Rechts in der Kantonsverfassung. Dies zeigte die Diskussion an der zweiten Zündstoffveranstaltung, die trotz guten Wetters wieder 100 Personen in die Matthäuskirche lockte.
E. Hauri vom Bundesamt für Wohnungswesen stellte in seinem Eingangsreferat die Tendenzen auf dem Schweizer und insbesondere dem Basler Wohnungsmarkt dar und zeigte die sich abzeichnende Trendwende, dass der angespannte Wohnungsmarkt seinen Peak überschritten hätte. Bei den Marktaussichten wies er ausserdem daraufhin, das benachteiligte Personen auch bei entspanntem Wohnungsmarkt Schwierigkeiten haben, eine Wohnung zu finden.

In der anschliessenden Podiumsdiskussion mit Patricia von Falkenstein (LDP-Präsidentin und Vertreterin Hauseigentümerverband) und Georg Mattmüller (IG Wohnen und Vertreter des Initiativkomitees) wurde der Dissenz zwischen Befürwortern und Gegnern offenbar. Streitpunkt ist die Verankerung des Rechts auf Wohnen in der Verfassung: überflüssig oder notwendig? Die Befürworter sehen es als Signal an die Regierung, mehr wohnungspolitische Massnahmen zu ergreifen. Die gegnerische Seite zweifelt an der Sinnhaftigkeit eines nicht justiziablen Rechts und zweifelt an, ob das Ziel damit erreicht würde.

Die angeregte Diskussion mit dem Publikum zeigte, dass der Handlungsbedarf auf dem Wohnungsmarkt – sei es mit dem Angebot preisgünstigen Wohnraums oder mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten für benachteiligte Personen – als dringend erachtet wird und die Initiative Ausdruck der Unzufriedenheit mit den derzeitigen Massnahmen ist.

Welche Dichte ist erstrebenswert?

23. April 2018

Fast 100 Interessierte kamen zum Auftakt der Veranstaltungsreihe «Zündstoff» in die Matthäuskirche und diskutierten mit den Experten das Thema Dichte.

Axel Schubert erklärte anschaulich in seinem Input, welche Argumente für eine höhere Dichte sprechen und wo wir genauer hinschauen müssen. Wenn man von Dichte spricht, unterscheidet man die Be­völ­ke­rungsdichte (pro ha), Belegungsdichte (pro Wohnung), bauliche Dichte (Ausnützungsziffer) und Interaktionsdichte. Hierbei das rechte Mass zu finden, ist höchst komplex. Vor pauschalen Bewertung anhand von Zahlen wird gewarnt: erst die Differenzierung nach Nutzungen, Dichte von Wohnen und Dienstleistungen bestimmen den Mehrwert. Ebenfalls entscheidend ist: bringt bauliche Verdichtung auch Wohnraum für mehr BewohnerInnen? Der allgemein hohe Wohnflächenverbrauch generiert mehr bauliche, aber nicht Be­völ­ke­rungsdichte. Fazit ist, in der Stadt braucht es Dichte(n). Wichtig ist aber die Frage nach der Qualität. Was leistet Verdichtung für mein Lebens- und Wohnumfeld? Wie respektiert ein Projekt den Quartierkontext? Welchen Mehrwert hat die Nachbarschaft? Und wer entscheidet über diese Qualitäten?

In der Diskussion mit Joelle Zimmerli (Soziologin), Daniel Baur (Landschaftsarchitekt) und Beat Suter (Raumplaner) wurde Dichte auch als kulturelle Herausforderung bezeichnet: Dichte erzeugt wohlwollende Toleranz, allerdings entstehen durch Dichte aber auch Reibungen, mit denen man umgehen muss oder darf. Die Einstellung spiele für die Akzeptanz von Dichte durchaus eine Rolle. So zeige eine Akzeptanzstudie, dass in (dichten) Innenstädten die Sorge bei Verdichtung die Verdrängung der Vielfalt ist und in weniger dichten Gebieten ist es die Sorge um den Verlust von Grünraum und dass der Nachbar zu nah käme. Hier könnte eine positive Einstellung zu Reibungen durch Nähe=Dichte helfen – denn eine Stadt ohne Reibungen oder Konflikte gibt es nicht.

Grundsätzlich greift der Diskurs um die Dichte wie er bisher geführt wird, jedoch zu kurz. Denn Dichte ist kein ausschliessliches Thema des Städtebaus oder der Architektur. Es ist ein soziales Thema und die StadtbewohnerInnen müssen ihre Anforderungen an Dichte, Angebote, Qualitäten, Diversität und Durchlässigkeit in die Stadt­ent­wick­lung einbringen und einbringen können.

Denn wer profitiert von der Dichte? Es sollten nicht nur die Investoren sein, sondern die Nachbarschaft. Mit Dichte sollten Qualitäten entstehen und bestenfalls sogar Defizite behoben werden. Es braucht also mehr Diskussionen über die Qualitäten; über unsere Idee von Stadt;  darüber, wie durchlässig wir unsere Stadt für künftige Entwicklungen halten; über den Charakter der Stadt, der Quartiere. Diese Diskussionen sollten mit und zwischen den BewohnerInnen der Stadt geführt werden. Denn: Qualität ist etwas, um das man streiten muss!