4. Drogenstammtisch 2.0 I 19.11.2024
«Wie gehen wir mit Drogensüchtigen um?»
Zum Erfolgsmodell der Vier-Säulen-Politik gehören neben Prävention, Therapie und Repression auch die Schadensminderung. Diese soll am 4. Drogenstammtisch im Fokus stehen. Braucht es eine staatliche Kokainabgabe? Welche Wohnformen und Tagesstrukturen unterstützen die Drogenabhängigen und das Zusammenleben im Quartier?
Zuerst erfragt Martina Rutschmann, Moderatorin, die Situation im Kleinbasel, ob die Masnahmen ihre Wirkung bereits entfalten konnten.
Beschlossene Massnahmen Frühjahr 2024
Blickt man zurück, konnten bereits einige Hebel in Gang gesetzt werden, um die Hotspots im Kleinbasel von anhaltendem Drogenkonsum/Dealen zu entlasten.
- Der Rangerdienst auf der Dreirosenanlage wurde ganzjährig ausgebaut. Es werden dort keine gewalttätigen Übergriffe und Körperverletzungen mehr verzeichnet
- Polizei hat im Frühjahr Schwerpunktaktionen (regelmässige Grosskontrollen) durchgeführt
- Die Öffnungszeiten der Kontakt- und Anlaufstelle (K+A) im Dreispitz wurde um eine Stunde ausgeweitet. So wird die K+A im Kleinbasel entlastet.
- Stellenausbau der Mittler im öffentlichen Raum
- Interdepartementale Arbeitsgruppe in der Verwaltung, um umfangreiche Massnahmen zu erarbeiten
- Punktuell privater Sicherheitsdienst (aktuell um Josephskirche)
Neu kündigt das Stadtteilsekretariat im Frühjahr 2025 Zivilcourage-Rundgänge im öffentlichen Raum fürs Quartier an.
Situation aktuell – Anwohner*innen erzählenDie Anwohner*innen rund um den Matthäusplatz berichten von einem Rückgang in diesem Sommer, wobei sie nicht zurückführen können, ob es am schlechten Wetter lag oder an den Massnahmen. Der Hotspot hat sich Richtung Claraplatz orientiert. Das bestätigen auch Anwohner*innen und Gewerbe am Claraplatz. Die Anzahl der Dealenden hätte zwar abgenommen, jedoch bleibt das Littering, Vandalismus etc. Anwohnende des Claragrabens beschweren sich über Radau und Lärm der Dealenden, da sich diese rund um das Elim aufhalten.
Im Quartier entlang des Rheins hat sich die Situation ebenso verschlechtert, da sich die Seitenstrassen ideal für Drogendeals im Auto oder auf dem Fahrrad eignen.
Prekäres Wohnangebot für Suchterkrankte
An diesem Drogenstammtisch sind viele Einrichtungen des betreuten und ambulanten Wohnens eingeladen, die von ihren Angeboten erzählen. Haus Elim, Stiftung Wohnhilfe, Hostel Volta, Hestia, oder Amina Trevisan berichtet von Erfahrungen bei der Koordiationsstelle Prekäre Wohnverhältnisse. Sie statuieren, dass das Wohnangebot zu knapp sei und fordern, dass der Kanton mehr Häuser kauft und zur Verfügung stellen soll. Dies stösst in der Runde auf Zustimmung und Applaus.
Die einzelnen Betreuungsangebote konkurrenzieren sich gegenseitig auf der Suche nach Wohnraum. Wird dieser jedoch nicht zur Verfügung gestellt, nutzen einige Hausverwaltungen und Eigentümer*innen die Situation der Suchtbetroffenen aus. Häuser im Kleinbasel würden vernachlässigt und die Eigentümer*innen bereichern sich an Nebenkosten, wie Amina Trevisan berichtet. Regierungsrat Kaspar Sutter entgegnet, dass der Kanton unentwegt nach geeignetem Wohnraum zum Kauf sucht und selbst betroffen ist von der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt. Daher würde jede Liegenschaft genommen, auch wieder im Kleinbasel, wenn sich was ergibt. Es gäbe Massnahmen, die der Kanton aktiv verfolge, z.B. den Ratschlag «Soziales Wohnen», in dem das erfolgreiche Pilotprogramm Housing First und jetzt auch Housing First+ integriert ist. Die Finanzierung hierfür ist nun gesichert und man sei nun auf der Suche nach Liegenschaften. Das Programm zielt darauf ab, «Dauergäste» der Notschlafstelle mit eigenem Wohnraum zu versorgen. Kaspar Sutter appelliert nochmal an die Bevölkerung, dass es bei der Drogenthematik nicht darum ginge, «wie wir sie losbekämen, sondern wie wir mit ihr umgehen».
Marc Vogel, Chefarzt am Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK), spricht sich dafür aus, zuerst einen Substitutionsansatz für stark Suchtbetroffene zu untersuchen, bevor über eine staatliche Kokain-Abgabe nachgedacht wird. Die UPK hat kürzlich vom Kanton Gelder für eine entsprechende Studie erhalten, um Menschen für diese Behandlung zu gewinnen.
Thomas Kessler, ehemaliger Basler Drogendelegierter und FDP-Politiker, plädiert seit Jahren für eine regulierte Abgabe von Drogen – nicht nur für Schwerstabhängige, sondern auch für Freizeitkonsumierende. Er argumentiert, dass der Staat statt der Mafia den Markt kontrollieren sollte, da die Schäden durch den Schwarzmarkt genauso gravierend seien wie die gesundheitlichen Schäden durch die Substanzen selbst.
Regine Steinauer vom Gesundheitsdepartement betont, dass Basel mit solchen Projekten eine Vorreiterrolle einnimmt, jedoch Prioritäten gesetzt werden müssen.